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Staatsmeisterschaft 1999, Finalrunde, Playoff

Black: Bernhard Scheid, 5d time: 90 min, 30 sec byo-yomi
White: Gert Schnider, 5d komi: 5,5
    date: 27.12.1999
result: B+ Resign place: Internet, IGS

Die Partie stellt eine Premiere in der österreichischen Go-Geschichte dar, denn erstmals wurde eine Turnierpartie zwischen zwei Spielern über Internet abgehalten. (Es ging allerdings nur noch um die Ehre des Staatsmeistertitels, nicht mehr um die Japanfahrt.) Dank beiderseitiger Fairness klappte alles reibungslos. Sollte sich ein solcher Austragungsmodus (z.B. bei der Staatsmeisterschaft zwischen Spielern aus Wien und den Bundesländern) aber institutionalisieren, müßte man sich Gedanken machen, wie man kontrollieren kann, daß keine Literatur, bzw. andere Spieler beigezogen werden, daß nicht durch simulierte netlags (Unterbrechungen) Zeit geschunden wird, etc. Ein großer Vorteil jedenfalls: Interessierte können ohne die Spieler zu behindern live dabei sein und sogar untereinander kommunizieren.

Figur 1,Züge 1-50

Weiß 16 - Weiß 20: Schwarz ist zufrieden mit dieser Abfolge. Weiß hat die meisten seiner Steine in Gebiet am unteren Rand investiert, aber es bleibt noch immer viel Aji, das Gebiet zu reduzieren oder zu invadieren. Weiß muss im weiteren Verlauf versuchen, dieses Aji indirekt zu minimieren.

Schwarz 21 - Schwarz 31: Weiß wählt ein sehr gebietsorientiertes Joseki. Daraus resultiert eine starke schwarze Stellung am oberen Rand, die gut mit Schwarz 1 harmoniert. Ich fühle mich wohl mit Schwarz.

Weiß 30 - Schwarz 31: Gert meint, er hätte mit diesem Austausch vielleicht noch etwas warten sollen (Ajikeshi vermeiden). Das ist aber kein großer Fehler.

Weiß 34: Gert möchte nicht noch einmal einfach Gebiet gegen Einfluss tauschen und lässt sich etwas einfallen. Schwarz 35 ist möglicherweise zu passiv. Nach Weiß 36 - Schwarz 41 begünstigt der Abtausch Weiß 34 - Schwarz 35 den Schnitt Weiß 42. Weiß versucht durch diesen Kampf, das Gebietspotential von Schwarz am oberen Rand zu limitieren und Einfluss im Zentrum zu gewinnen.

Weiß 44 - Schwarz 45: Dieser Abtausch ist zu peinlich! Schwarz muss Schwarz 45 auf A setzen, obwohl Weiß dann schneiden kann. Es folgt ein komplizierter Kampf mit vielen, für mich unabsehbaren Varianten. Schwarz sollte dabei jedoch ein passables Ergebnis erzielen, wenn es beispielsweise gelingt, seine drei Randsteine (Schwarz 33, 35, 43) gegen Außeneinfluss zu tauschen. Nach Weiß 50 harmonieren die weißen Stellungen bestens miteinander. Nun kann sich Weiß wohl fühlen.

Figur 2, Züge 51-100

W-100 deckt rechts von 96

Diagramm 1

Schwarz 55: Schwarzes Gebiet ist nur noch am linken Rand zu machen, doch das Gebietspotential ist dort sehr gering. Schwarz sucht daher eine Chance, ein weißes Moyo zu verhindern, gerät dabei aber in die Defensive.

Weiß 58 - Weiß 66: Schwarz ist in der Defensive und muss sich peinliche Reduktionen seines eigenen Gebiets gefallen lassen (z.B. der Abtausch 62, 63). Schuld trägt das passive Spiel zuvor, besonders Schwarz 45.

Weiß 74: Ein Fehler, wie sich gleich herausstellt. 77 wäre beispielsweise besser.

Schwarz 77 - Schwarz 87: die Folgen von Weiß 74. Da Gert den Schnittstein Weiß 64 nicht hergeben will, muss er sich von Weiß 68 trennen. Schwarz gelingt es, das weiße Gebiet zu reduzieren und die Zentrumsgruppe zu stabilisieren. Ich fühle mich wieder wohl in der Partie. Schwarz 87 zielt natürlich weiter auf das Aji von Schwarz 5 ab, im Nachhinein erscheint mir aber die Abfolge in Diagramm 1 interessanter.

Weiß 90: Ein riskanter Zug. Vielleicht hätte ich aggressiver spielen, und durch ein Atari auf 92 Weiß in zwei Gruppen spalten sollen. Da ich die Partie jedoch optimistisch einschätze, sichere ich mir das Gebiet am oberen Rand.

Weiß 94 ist ein Treppenbrecher. Schwarz möchte 91 nicht hergeben und nimmt die Reduktion seiner Ecke in Kauf, um im Zentrum Einfluß zu gewinnen und Druck auf die weiße Zentrumsgruppe auszuüben. Gert sieht in dieser Abfolge allerdings eine Fehleinschätzung von Schwarz. Es wäre wahrscheinlich besser, 94 lokal zu beantworten, beispielsweise auf 102. Gert würde mit 120 antworten. Das Fangen von Weiß 90, bzw. Schwarz 91 ist für beide Seiten Nachhand und daher im Moment nicht so wichtig. Schwarz 95 ist sicherlich ein Richtungsfehler.

Figur 3, Züge 100-150

Weiß 114: Die Gesamtsituation auf dem Brett ist äußerst verworren: Die weiße Zentrumsgruppe ist noch nicht ganz lebendig und eine Invasion um 117 bedroht auch die Basis der weißen Gruppe um Weiß 94. Andererseits droht Weiß die schwarze Ecke und die schwarze Mittelgruppe zu trennen. (Beide haben noch nicht definitiv zwei Augen!)

Schwarz 117: Möglicherweise zu früh. Schwarz hätte zuerst die Kikashis gegen die Zentrumsgruppe (Schwarz 129 - Weiß 134) spielen und dann versuchen sollen, in Vorhand Stärke im Zentrum zu machen. Danach wäre die Invasion Schwarz 117 perfekt.

Schwarz 123 - Weiß 128: Schwarz geht den umgekehrten Weg. Er erwartet sich vom Kampf im Zentrum eine Entwicklung, durch die er Weiß 122 entweder fangen oder erfolgreich squeezen kann. Das Risiko, dass daraus nichts wird, und Weiß mit mehr Gebiet am linken Rand überbleibt, als ihm zusteht, ist jedoch zu hoch. Denkbare Variante an Stelle von Schwarz 123: Hane oberhalb von 122. Es folgen weitere unübersichtliche Kämpfe, spielentscheidend könnte sein, wer zuerst das große Endspiel auf 147 bekommt. (Um die Wahrheit zu sagen: Ich habe 123 ohne nachzudenken gespielt und dabei halluziniert, daß Weiß den Stein nicht schlagen kann - einer meiner vielen Poka. Auch der göttliche Fujisawa Shuko ist für seine Flüchtigkeitsfehler berühmt.)

Weiß 136 - Weiß 148: Weiß sichert sich durch geschicktes Spiel ein potentielles Auge mit Ko. Immerhin erlischt das Aji von Weiß 62 und Schwarz holt sich leichte Endspielvorteile. Gert bereut den Abtausch Weiß 148 - Schwarz 149, da er Ko-Drohungen kostet.

Figur 4, Züge 151-200

Ko um 59: Schwarz 65, 71, 83 auf 59;
Weiß 62, 68, 74, 80, 92 unter 59.
Ko um 61: Weiß 88, 94, 200 auf 72;
Schwarz 91, 97 auf 61.

Weiß 152 - 158: Weiß lebt nur mit Ko, doch hat seine Gruppe zahlreiche Drohungen "am Fleisch".

Schwarz 159: Fehler! Statt das Ko zu schlagen, besser Schwarz auf 160. 160 ist für beide Seiten eine Drohung! Die Lage wird schwierig für Schwarz.

Weiß 178: Honte. Die schwarzen Chancen auf einen Squeeze sind dahin. Gert muß sich zu diesem Zeitpunkt recht siegessicher gefühlt haben.

Schwarz 181: Schwarz würde gern auf 236 spielen, droht aber damit leider nur Ko auf die Ecke, während Weiß ungehindert das schwarze Zentrum und die Ecke links unten attackieren kann.

Weiß 186: Ein neues Ko entsteht und eröffnet Schwarz neue Chancen. Ich plane, Weiß das Ko um das zweite Auge gewinnen lassen, aber das Ko im Zentrum für mich zu entscheiden. Weiß sollte daher statt 186 lieber gleich das Ko nehmen. Der Spielverlauf von Weiß gerät hier plötzlich aus dem Tritt.

Figur 5, Züge 201-237

19 unter 3; Ko um 28: 33 über 28; 36 auf 28.

Weiß 204: Wie erwartet muss Weiß das Ko im Zentrum für das Ko ums 2. Auge tauschen. Weiß sollte aber zu diesem Zeitpunkt noch eine Drohung spielen, nämlich 234. Deckt Schwarz auf A, um eine weitere Drohung zu verhindern, entsteht gutes Endspielpotential für Weiß (s. Weiß 224). Außerdem muss Schwarz die Drohung(en) B (bzw. C) spielen: "Teure" Drohungen, denn sie mindern das Aji von Schwarz 115. Gert sieht in 204 den loosing move.

Weiß 206: Definitiv der "loosing move". Weiß muss das Atari Schwarz 207 verhindern. Auch nach diesem Zug könnte Weiß laut Gert "nicht mehr gewinnen", aber die Partie wäre knapper und ich bin nicht sicher, ob meine Nerven durchgehalten hätten. Bei korrektem Endspiel würde Schwarz die Vorhandzüge 228 und links von 225 spielen, um dann selbst auf 206 zu setzen. Der nächste große Endspielzug wäre Weiß 230.

Nach 207 spielt Gert nur noch weiter, "um sich einen Platz für eine ehrenvolle Aufgabe zu suchen."

Weiß 224 geht nur, wenn Schwarz auf Weiß 134 mit Schwarz A antwortet.

Schwarz 237: Schwarz ist auf dem Brett über 10 Punkte vorn. Weiß sieht keine Chance mehr, den Rückstand aufzuholen, und gibt auf.

Insgesamt sehe ich das Fuseki der Partie als günstig für Schwarz, der Vorteil schwindet jedoch rasch durch passives Spiel im frühen Mittelspiel. Taktische Fehleinschätzungen und Richtungsfehler lassen die Gesamtbrettsituation daraufhin mehrmals hin und herschwanken. Nach einem groben Flüchtigkeitsfehler von Schwarz ist Weiß überoptimistisch, spielt im Ko-Kampf unsauber und verliert schließlich im Endspiel die Nerven.

Pok, Dezember 1999

PS: Dieser Partie Kommentar wurde auch in The Treasure Chest von BigM veröffentlicht.
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Last update: Oct 2004