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Staatsmeisterschaft 2003, Finalrunde 4

Black: Michael Szabo, 5d time: 90 min, byo-yomi: 20/10, 15/5
White: Bernhard Scheid, 5d komi: 6,5
    date: 16.11.2003
result: B+ 6,5 place: WBC

Meine einzige Niederlage in der Finalrunde der Österreischischen Meisterschaft 2003 gegen Michael Szabo, der bereits im Haupttournier gute Chancen auf einen Sieg gehabt hatte. Eine Partie mit vielen Fehlern, aber meine waren größer.

Figur 1, Züge 1-50

Diagramm 1

Schwarz 21: Ein Zug auf der rechten Seite. z.B. 22 wäre an sich logischer. Solange die Schwäche auf A besteht (nach einem Zug unterhalb von 13 droht Schnitt) ist das Aji von 7 nicht allzu virulent.

Weiß 24: In der Analyse nach dem Spiel wies Ernst Novak auf B hin. Sieht man diesen Zug am Brett, erscheint er in der Tat genau richtig.

Schwarz 25: Macht Miai aus einem Zug um 37 und C. Weiß betrachtet 6 als "leichten Stein" und deckt auf 26.

Schwarz 27 sieht irgendwie seltsam aus. Logischer wäre es, jetzt auf der oberen Seite zu spielen. Allerdings ist das nicht ganz leicht. Ein Kakari auf 40 wird mit einem Pincer auf 41 beantwortet und 25 verliert damit seinen Wert. Spielt Schwarz aber enger, z.B. auf 37, sichert Weiß die Ecke mit 38. Daher wohl 27.

Weiß 28 ist ebenfalls komisch - zu verkrampft. Ein Kakari hier wäre ja auch kein guter Zug für Schwarz. Wahrscheinlich wäre 38 (entwertet 25) die beste Antwort. Auch ein Tobi von 22 ins Zentrum erscheint möglich.

Weiß 30: Besser 32. Nach S-30, W-34 bleibt Aji auf 33.

Schwarz 35: Ein weiterer seltsamer Zug -droht nichts und hinterlässt nach wie vor Schnitt-Aji.

Weiß 36: Und noch eine seltsame Antwort! Spätestens jetzt wäre W-38 optimal. Weiß rechtfertigt mit mit seinem Spiel die seltsamen Züge von Schwarz. Nach 41 sieht die Situation etwa ausgeglichen aus.

Weiß 42: Diese Invasion ist zu früh! Weiß hofft jedoch auf folgende Abfolge:

Diagramm 1: Im Standard-Joseki muss Weiss mit 10 den Stein 2 decken, und Schwarz fängt 4 mit S-10. Dank der Steine auf der unteren Seite ist hier aber W-10 möglich. Versucht Schwarz nun, Weiß zu töten (11-13), folgen 14 und 16. Die Abfolge bis 25 zeigt ein mögliches Ergebnis. Falls Schwarz statt zwei Augen zu machen (19, 25) auf der Tötung der weißen Ecke beharrt, entsteht ein Ko, bei dem Schwarz mehr zu verlieren hat als Weiß. In jedem Fall wäre die Partie in dieser Variante fast aussichtslos für Schwarz.

Michael spielt jedoch korrekt auf 45.

Figur 2, Züge 51-100

Diagramm 2
Diagramm 3

Schwarz 53-55: Obwohl diese Abtäusche ein wenig schmerzen, ist das Ergebnis für Schwarz zufriedenstellend. Die umgebenden weißen Formationen werden durch die schwarze Stärke ein wenig dünn (siehe Diagramm 3).

Weiß 56: Hier hätte Weiß besser vor der Invasion der linken unteren Ecke gespielt. Der Zug war eigentlich als Kikashi gedacht, nachdem Schwarz sich aber nicht forcieren lassen möchte, setzt Weiß alles auf eine Karte und versucht Weiß 6 (in Figur 1) zu retten.

Weiß 66, 68: Weiß rechnet sich nur Chancen aus, wenn er die zwei Steine nicht hergibt, aber die Situation sieht nicht besonders gut aus.

Schwarz 69: Zu weich! Hat zwar gute Folgezüge am linken Rand, übt aber nicht den richtigen Druck auf Weiß aus.

Weiß 76, 78: Diese Züge sind Standardtechniken um Sabaki zu machen (eine schwache Gruppe durch Opfern von unwichtigen Steinen retten), doch ich wusste selbst nicht wie effektiv sie hier sein hätten können.

Weiß 82 ist die falsche Fortsetzung!

Diagramm 2: In Folge von Damezumari (zu wenig Freiheiten) von Schwarz erwacht 78 nach dem Opfer von Weiß 1 zu neuem Leben. Hätte ich diese Variante während des Spiels entdeckt, wäre die Partie plötzlich sehr vorteilhaft für mich gewesen! Daher hätte ich schon Weiß 72 auf 76 spielen müssen, bzw. hätte Schwarz mit 69 diese Drohung verhindern sollen.

Schwarz 83: Instinktiv spielt Michael den richtigen Zug und versucht nicht, mich am unteren Rand augenlos zu halten. Obwohl Weiß mit 6-8 Punkten Gebiet im schwarzen Einflussbereich lebt, ist die Lage für Schwarz nur noch besser geworden: Am linken Rand droht eine kräftige Reduktion des weißen Gebiets, das Zentrum wird fast von selbst schwarzes Gebiet und im weißen Eck rechts oben blüht das Aji. Dennoch (oder gerade deshalb) geht Weiß mit 88 aufs Ganze. Es sieht zwar sehr danach aus, als ob 87 in der Ecke leben könnte, aber irgendwann muss Schwarz doch auch Fehler machen... Rückblickend wäre W-88 auf San-san jedoch der richtige Zug gewesen. Nach 92 lässt Schwarz die Situation vorerst auf sich beruhen - richtiges Timing, ein kleines Leben in Nachhand ist vorläufig noch nicht der größte Zug.

Schwarz 93: Vitaler Punkt des ganzen Brettes! Allerdings wäre auch interessant zu sehen, was sich auf der linken Seite machen lässt. Eine mögliche Variante wäre:

Diagramm 3: Schwarz 1 macht ein weißes Gebiet von 10-15 Punkten mit einem Schlag zunichte. Wenn Weiß versucht, ein Watari (unterirdische Verbindung) von Schwarz 1 zu verhindern, stirbt die weiße Ecke! Ein Grund, warum die Eck-Invasion von Weiß 42 verfrüht war.
NB: Ohne den markierten Stein (S-69) könnte Weiß mit 2 auf 10 diese Variante verhindern.

Weiß 94 deckt dieses Aji.

Schwarz 95: nun wird es für die 2 weißen Steine am unteren Rand langsam ungemütlich. Weiß versucht krampfhaft, die untere Seite in Sente halbwegs abzusichern, um dann das schwarze Zentrum zu reduzieren. Doch nach dem Yosu-miru auf 96 hätte Weiß diesen Plan ändern sollen.

Weiß 98: Der Abtausch gegen Schwarz 99 macht aus 96 ein wertloses Opfer (mochikomi). Stattdessen hätte Weiß mit A-C Nachhand in Kauf nehmen sollen. Schwarz kann dann zwar als erster im Zentrum spielen, aber in der rechten Ecke bleibt noch ein Potential auf weißes Leben.

Figur 3, Züge 100-150

Diagramm 4

Weiß 102, 106, 108: Versuch irgendwie Komplikationen zu schaffen.

Schwarz 115-23: Erreicht nicht besonders viel, offenbar hat sich Michael hier mehr erwartet. Besser gleich 117.

Schwarz 125: Besser gleich auf 127. Doch auch so ist die Attacke unangenehm genug.

Weiß 150: Blind spot by both! Weiß hätte 5 und 7 auch schlagen können. Dann bestünde allerdings die Gefahr dass Schwarz wie in Diagramm 4 zurückschlägt (theoretisch auch nach 50 möglich):

Diagramm 4: Nach 1 kann Schwarz die zwei Steine nicht decken, daher bleibt ihm nur das Gegen-Atari auf 2 und der Schnitt 4,5,6. Diese Abfolge ist lokal erstaunlich effektiv, Weiß hat kaum Chancen mit dem unteren Teil der Gruppe 2 Augen zu machen. Weiß hat nach 7 jedoch die Drohung auf A zu schneiden. Aber das wäre eine andere Partie...

Figur 4, Züge 151-183

Diagramm 5
Diagramm 6

Weiß 158: Ein Zug auf 166 könnte die Ecke sichern. Mir war das Aji von Schwarz zwar bewusst, doch ich hatte das Gefühl, dass Schwarz, wenn er mit Druck auf die weiße Gruppe das Zentrum mit einem Zug um 158 in Sente abschließt, immer noch mehr Gebiet hätte. 158 hat ja in der Tat gute Folgezüge.

Schwarz setzt nun seine Steine in der Ecke in Bewegung.

Weiß 164: Verhindert, dass Weiß in zwei Gruppen getrennt wird und ermöglicht Schwarz ein kleines Leben in der Ecke. Nach der Partie entdeckte ich, dass Weiß ein Semeai hätte riskieren können:

Diagramm 5: Nach Weiß 1 trennt Schwarz 2 die umgebenden weißen Gruppen und setzt damit ein Semeai (capturing race) in Gang. Weiß gewinnt das Semeai um eine Freiheit, doch sein Profit in der Ecke ist nach wie vor nur 22 Punkte, während Schwarz an der Außenseite Profit macht. Diese Endspielgewinne an der Außenseite könnten Schwarz möglicherweise reichen, um die Partie zu gewinnen. Hätte ich mir das Semeai allerdings während der Partie ausrechnen können, hätte ich so gespielt.

Weiß erhält immerhin die Möglichkeit, mit 172 (droht 2 Steine zu retten) und 174 das schwarze Gebiet ebenfalls zu reduzieren.

Schwarz 175, 177: Versuch, aus den Opfersteinen noch einen weiteren Gewinn, zu ziehen.

Weiß 178: ignoriert die Drohung, die weiße Gruppe auf ein Auge zu reduzieren. Es folgt ein Furikawari (Gebietstausch), bei dem Schwarz 14 Punkte am Rand gewinnt (6 Gefangene+2 Gebietspunkte) und Weiß etwa 8 Punkte Gebiet wegnimmt, also ein Gesamtgewinn von 22 Punkten; Weiß erhält dafür 8 Steine und etwa 6 zusätzliche Gebietspunkte, also ebenfalls 22 Punkte. Das Furikawari ist also völlig ausgeglichen! Allerdings hätte Weiß 178 auf 183 gespielt werden müssen. Dieser Slide ist kaum zu stoppen, denn es droht Leben in der Ecke! Das hätte zu einem sehr knappen Ergebnis geführt. Damit ist Weiß 178 wahrscheinlich der loosing move.

Weiß 180: Statt des Furikawari wäre auch folgende Möglichkeit in Betracht gekommen:

Diagramm 6: Weiß 1 verhindert, dass ein Teil der Gruppe gefangen wir, Schwarz 2 verhindert das zweite Auge. Weiß hat allerdings die Option, sich mit 3 "unterirdisch" zu verbinden. Will Schwarz das verhindern, nützt Weiß mit 5 und 7 ein weiteres Mal das Damezumari (Mangel an Freiheiten) dieser Steine aus. Weiß muß mit 8 Freiheiten schaffen, Schwarz schlägt mit 9 das Ko und ignoriert jede Drohung um weiter auf 11 zu schlagen. 10 und 12 scheinen die größtmöglichen Drohungen zu sein, die Ecke links unten ist auf jeden Fall zu klein.

Nach diesem Abtausch scheint Schwarz letztlich ganz knapp vorne zu liegen, nur ein kleiner Fehler im Endspiel würde ihn die Partie kosten. Stellt man sich aber vor, dass Weiß statt 178 auf 183 gespielt hätte, wäre die Drohung Schwarz 10 entwertet, da Weiß ja immer noch in der Ecke leben kann!

Der Charakter dieser Partie wurde durch eine Serie von seltsamen Zügen und Richtungsfehlern am Beginn des Mittelspiels geprägt. Da ich die größeren Richtungsfehler beging, geriet ich in eine schwierige Situation und baute meine Strategie auf der Hoffnung auf, durch taktische Überlegenheit im Infight die Partie für mich entscheiden zu können. Solche Gelegenheiten boten sich zwar, wurden aber von mir nicht ergriffen. Nach 183 folgte ein konventionelles Endspiel, das am Stand der Partie nichts mehr änderte. Schwarz gewann verdient mit 6 1/2 Punkten.

Pok, Dezember 2003

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Last update: Oct 2005